“Oh, das ist nett, aber ich trinke keinen Alkohol…

Ja, so allgemein nicht… Nein, ich habe kein Problem damit, wenn Du etwas trinkst… alles gut… Nein, ich hatte noch keine Schwierigkeiten mit Alkohol… Ich weiß gar nicht mehr; das ist jetzt zwei Jahre her, denke ich… Ja vielleicht sollte ich mir da mal ‘nen paar Gedanken darüber machen, warum das so ist – Ich denke, es sind die Situationen, auf die ich immer wieder stoße. Mit meinem Verzicht. Neulich hab’ ich an einem Segelkurs teilgenommen. Von der Uni aus. Und als wir die Boote aus dem Wasser hatten, wurden die ersten Biere geköpft… Ich? Hatte nur meine Wasserflasche dabei. Alle mit Bier haben sich dann der Reihe nach zugeprostet. Ich wurde übergangen. Spaßeshalber hab’ ich auch meine Flasche – immerhin auch aus Glas und mit Bügelverschluss – in die Luft gehalten. Vielleicht etwas zu halbherzig. Niemand hat’s so richtig bemerkt… Ne, schlimm war das nicht. Früher hat mich das mehr gestört. Wenn Du auf einer Feier warst und z.B. Fahrer spielen durftest. So als Jugendlicher. Oder am nächsten Tag ein Wettkampf war oder so. Da war das irgendwie unangenehmer. Ich mein’ nicht diese klassische Irgendwann-sind-die-Witze-einfach-nicht-mehr-lustig-Situation. Das ist mehr eine Frage der Einstellung. Sondern die Art und Weise, wie mit Dir umgegangen wird. So ein wenig als wäre ich den anderen suspekt. Als würde der andere denken: ‘Oh, jetzt muss ich aufpassen was ich sage. Der hat ja nichts getrunken.’ Ich glaub’, in beiden Fällen kommt es zu einer Art Ausschluss. Es gibt die Gemeinschaft der Trinkenden. Und dann gibt’s noch die, die nicht trinken. Letzteren ist nicht zu trauen. Zumindest, wenn Du selbst Dich grad zu Ersteren zählst. Alkoholiker_innen, die sich in Sucht-Therapie befinden, wird manchmal sogar geraten, es nicht mit der Abstinenz, sondern mit dem kontrollierten Konsum zu versuchen. Denn die sozialen Folgen einer Abstinenz können zu größeren Problemen führen. Dabei wird bei Alkohol doch eigentlich meist das Gegenteil behauptet: Wir trinken Alkohol, um unsere Hemmschwellen abzubauen. Um eben nicht anderen mit Vorsicht, schüchtern oder so, entgegenzutreten. Ich glaube gerade das Gegenteil ist der Fall: Wir besaufen uns am Wochenende, lassen uns volllaufen, gerade weil wir unter der Woche nicht ausgelassen sein dürfen oder können. Und unter der Woche bleiben wir zurückhaltend, vorsichtig in uns selbst gekehrt. Wir sind gehemmt. Denn wir müssen nicht versuchen, die innere Mauer, die uns vor den anderen abschirmt, mühsam zu überwinden. Das können wir am Wochenende machen. Dann, wenn normierte Ausgelassenheit endlich in der befreiten Atmosphäre von Bar und Clubkultur, mit Alkohol und anderen Mitteln gefeiert werden darf. Und wer hier nicht mitmacht, dem kann nicht getraut werden… Entschuldige bitte, ich habe mich ein wenig reingeredet… Ja, mein eigentlicher Punkt – Ich denke, es geht mir um einen Widerspruch: Wir trinken, um enthemmt zu werden. Und wir werden gehemmt, weil wir trinken. Die Mauer, die wir im Wochenendrausch überwinden, wird unter der Woche nur umso höher.”

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