Fleischverzicht

– Fred und ich –

 

Warum kein Fleisch essen? Warum keine Produkte mit tierischen Inhaltsstoffen kaufen? Keine Wurst? Keinen Käse? Keine Lederschuhe? Beim Kauf von Wein auf das Vegan-Siegel achten? Warum sich die Mühe machen? Aus Mitleid mit den Tieren? „Mit fünf habe ich mit  angesehen, wie mein Lieblingsschaf geschlachtet wurde und seitdem bekomm ich kein Bissen Fleisch mehr runter.“ So herzzerreißend muss es nicht sein. Es geht auch rational, geradezu philosophisch – naja, moralphilosophisch, aber immerhin!

Stellen wir folgende zwei Überlegungen an – erstens: Was möchte ich mit meinen Handlungen möglichst vermeiden? Eine basale Antwort: Schmerz bzw. Leid. Und zweitens: Was möchte ich mit meinen Handlungen möglichst befördern und vermehren? Freude bzw. Lust – zwei Seiten derselben Medaille, auf die folgendes Prinzip geprägt ist: Ich möchte immer diejenige Handlung ausführen, die mehr Freude bzw. – einmal umgedreht – weniger Schmerzen verursacht als alle alternativen Handlungen.

Wer sich in der moralphilosophischen Debatte auskennt, bemerkt sofort den utilitaristische Gedanken. Wer dem von vornherein abgeneigt ist, gebe ich an dieser Stelle zum Abschied die Hand. Den Rest lade ich herzlich auf einen weiteren Gedankengang ein.

Denken wir uns die Standardsituation in der Debatte um den Veganismus: Ich stehe vor der Entscheidung, ein schönes Schweinesteak zu essen – Handlung A; oder es eben sein zu lassen – Handlung B. Sehen wir uns Handlung A genauer an. Die erste Frage, die ich mir stelle: Wer ist hier alles betroffen und wer von diesen ist in der Lage, Freude bzw. Schmerz zu empfinden? Auf der Hand liege ich. Auf dem Tisch liegt das Steak. Der Verzehr eines Stücks gut zubereiteten Schweinesteaks und dazu ein mundender Rotwein – allein die Vorstellung lässt mir bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen. Jedoch bin ich nicht das einzige empfindungsfähige Wesen, welches von meinen möglichen Handlungen betroffen sein kann. Für den Verzehr von Schweinefleisch muss das dazugehörige Schwein – nennen wir es Fred – erst einmal gemästet werden. Und dies geschieht nur zu oft unter Bedingungen der Massentierhaltung. Ob „Bio“-Fred ein sehr viel besseres Leben führt als „Einfach nur“-Fred, darüber könnten wir nun bestimmt eine ganze Weile lang diskutieren, leider ohne die Möglichkeit, Fred dabei selbst zu Wort kommen zu lassen.[1] Fakt: Um als Steak auf meinem Teller zu landen, muss Fred in beiden Fällen geschlachtet werden. Eine Tötung verläuft jedoch nicht ohne Schmerzen und daher beziehe ich Fred in meine Überlegung mit ein.[2] Nun abschließend noch eine kleine Kalkulation: Welche der beiden Empfindungen überwiegt und in welchem Maß? Mein einmaliger Genuss über einen Zeitraum von vielleicht 15 Minuten des Kauens steht hier neben 7 bis 8 Monaten Mastzeit, welche abrupt mit der Schlachtung endet. Ein kleiner Moment der Freude, welchem ein recht großer Zeitraum gefüllt mit Schmerzen und Leid gegenübersteht. Auch in der möglichen Welt eines „Bio“-Freds steht hier immer noch der Schmerz während der Schlachtung meinem kurzweiligen Genuss gegenüber.
Viel scheint hier bereits gegen Handlung A zu sprechen. Aber unser Prinzip fordert einen Vergleich. Doch Spannung steigert den Genuss und damit ist es die moralisch richtige Handlung, auf Handlung B ein anderes Mal einzugehen.

 

 

[1] In Deutschland betrug der Bio-Anteil der tierischen Produktion unter 2%; bei dem Rest ist von Massentierhaltung auszugehen: http://www.boelw.de/fileadmin/media/pdf/Themen/Branchenentwicklung/ZDF_2016/BOELW_ZDF_2016_web.pdf am 28.02.2017.

[2] Gesetzlich vorgeschrieben ist zwar eine möglichst schmerzfreie Schlachtung, die Standards hierfür werden in der Regel jedoch nicht erfüllt. Vgl. https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/schlachten.html am 28.02.2017.

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