»cogito ergo boom«

Ich denke, also bin ich. Descartes, in seinem Lehnstuhl behaglich am Feuer sitzend, den Zweifel bis auf seinen unwiderlegbaren Grund verfolgend: dass er zweifle. Alles könne man vergessen, auch den eigenen Körper, aber nicht das zweifelnde Ich. Aus der Gewissheit des Zweifelns und des guten Gottes folgt folglich die gesamte Welt. Wie Erbaulich. Und Descartes lacht irre.

Den Körper vergessen, aber am Zweifel festhalten? Die Behaglichkeit war schon immer geistige Lüge, mit Blindheit geschlagen. Die Wahrheit dagegen zeigt sich im Schmerz. Wenn er über einen hereinbricht, hört der zweifelnde Geist auf zu sein, hinweggespült von der nervlichen Sintflut. Philosophie ist antediluvial. Der Körper rächt sich für seine Verachtung. Was an Gedanken danach noch übrig bleibt, kreist einzig um den gequälten Körper: dass er aufhöre zu sein. Ich leide, also bin ich. Aber selbst das Ich zerbricht, Denken versinkt im Morast des Schmerzes. Worte verstummen, Sprache regrediert zum Laut.

Es bleibt verstörende Verwunderung. Ich leide, also war ich. Diese Erfahrung löscht jeden anderen Gedanken aus. Aber die Philosophie ist nichts als Gedanke. Der Widerspruch ist ihr inhärent: Als Gedankengebäude ist sie idealistisch aus Prinzip. Die Stellung zum Körper wird ihr Richtspruch, der Gerichtshof der Vernunft ist nichts anderes als der Vorhof der eigenen Hölle des Schmerzes. Der Körper ist Bedingung der Unmöglichkeit von Philosophie überhaupt. Deswegen verbannt sie ihn. Nicht gedacht soll seiner werden.

Der gute Gott Descartes’ koinzidiert mit dem Primat des Geistes über den gefügig gemachten Körper. Traditionelle Theorie vollzieht die gesellschaftliche Spaltung von körperlicher und geistiger Arbeit bewusstlos nach. Kein Zufall dann, dass sich die Spuren eines Anderen besser bei den Gnostikern finden lassen. Der Häresie wurde am Körper inne, was der offiziellen Philosophie nie in den Sinn kam – dass diese Welt eine gefallene ist. Der einzige Wunsch die Flucht, verhindert durch das Fleisch. Es kettet den Gnostiker hoffnungslos an die verfehlte Schöpfung.

Was Descartes Trost spendet, die Gewissheit der Welt, ist für jenen als Einverständnis mit dem Sein perennierende Verzweiflung. Die resultiert nicht aus dem Zweifel, sondern dem Schmerz. Gnosis, ihrem eigenen Begriff gemäß, meint die Überwindung des falschen Seins durch Erkenntnis. Das aber ist der Geist. Und der zergeht ewig vor den Martern des Fleisches.

Damit ist die Ausflucht zunächst versperrt. Die Tragik der Gnosis ist die verzweifelt versuchte Affirmation des Geistes. Jeder höllische Stoß des Körpers aber reißt die Gedankenkonstruktionen aufs Neue ein. An diesem Widerspruch muss der Geist schließlich zerbrechen. Das Denken – paralysiert vor seinem Widersacher. Der Wahnsinn scheint notwendige Konsequenz der endlos vergeblichen Flucht. Beständig auf den verfaulenden Körper zurückgeschleudert, bleibt daher nur noch, sich auf ihn zu besinnen und die unmögliche Chronik des Leidens zu beginnen. Das ist der Materialismus als Philosophie der falschen Welt – Ich leide, also denke ich.

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