“The business of business is [environmentally friendly] business.”
Nachhaltig ist in. Abseits des Pariser Klimaabkommens machen das Umweltaktivist*innen, vorwiegend der Generation Greta, deutlich.
Man erinnere sich an Siemens. Geplant war Signaltechnik nach Australien zu liefern, die den Weg bereiten sollte, eine Kohlemine vor Ort zu erschließen. Aber 2020 ist es offenbar nicht mehr akzeptabel Projekte zu unterstützen, die nicht nachhaltig sind. Macht man das dennoch, dann sieht man sich gezwungen eine detaillierte Stellungnahme bezüglich der Unternehmensentscheidung herauszugeben.[1]Für die Stellungnahme von Siemens-Präsident Joe Kaeser siehe https://press.siemens.com/global/en/news/joe-kaeser-adani-carmichael-project. Beteiligt man sich an klimakritischen Projekten, gilt es zu akzeptieren, dass sich Umweltaktivist*innen an das eigene Firmengebäude kleben und man sich im Gespräch mit Luisa Neubauer wiederfindet.
Ist das „business of business” nicht „business”, also Wirtschaften, wie Milton Friedman 1970 in der New York Times argumentierte?[2]Friedman 1970. Friedman war ein liberal eingestellter Ökonom, der für sein Werk mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Seine These ist nicht neu, Umweltaktivismus und Corporate Social Responsibility (CSR) gibt es auch seit Längerem. CSR fasst den Gedanken zusammen, dass Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung tragen.[3]BMAS o. D. Abseits wirtschaftlichen Denkens rücken soziale oder ökologische Praktiken in den Vordergrund.[4]Ebd. Das bedeutet bewusst als Unternehmen zu fragen, ob die eigenen Mitarbeiter*innen wirklich gut geschützt sind an ihrem Arbeitsplatz oder ob das Wasser, das man zurück in den Fluss leitet, ähnlich sauber ist wie es dem Fluss entnommen wurde und auch dieselbe Temperatur wie zuvor hat. CSR fordert als Unternehmen über den gesetzlichen Standard hinaus für die Gesellschaft aktiv zu werden.[5] Jones 1980, 59. Konkret könnte das bedeuten, bei der Lieferkette noch mehr (als der Staat fordert) auf faire Entlohnung und geringen Schadstoffausstoß zu achten.
CSR ist also eng mit Nachhaltigkeit verwoben. Die Begriffe werden manchmal synonym verwendet.[6]BMAS o. D. CSR ist aber eigentlich übergeordnet – und begreift vor allem die Frage mit ein, welchen spezifischen Beitrag das Unternehmen leistet, um nachhaltig zu wirtschaften.[7]Ebd.
Fokussieren wir uns einmal auf den Nachhaltigkeitsaspekt der CSR. Was gibt es unternehmerischem Einsatz für Umwelt und Klima entgegenzusetzen? Kann man damit überhaupt (moralisch) ein Problem haben?
Als Motivethiker*in kommt man hier schnell an seine Grenzen. Ein Motivethiker fragt: Aus welchem Grund handelt das Unternehmen klimafreundlich? Die Antwort, dass umweltfreundliche Unternehmensführung ökonomisch sinnvoll sei, führt zu einem Konflikt. CSR kann als Deckmantel dienen.[8]Friedman 1970. CSR kann das eigentliche Motiv verhüllen. Vielleicht handelt das Unternehmen klimafreundlich, um sich ein nachhaltiges Image zuzulegen mit dem Ziel, eigene Produkte besser vermarkten zu können und eine bestimmte Gruppe qualifizierter Arbeitnehmer*innen anzulocken.[9]Ebd. Im Fall von Siemens hätte man den Auftrag aufkündigen können, um weitere Proteste zu vermeiden und so ebenfalls das Image der Firma zu schützen. Friedman zufolge mangelt es hier an Durchsichtigkeit, weshalb er die Gefahr von Täuschung feststellt.[10]Ebd. Ein Problem könnte man also darin sehen, dass ein Unternehmen sich aus den falschen, das heißt: anderen Gründen, als es vorgibt, für die Umwelt einsetzt – nicht, weil Interesse für Klimaschutz besteht, sondern weil es wirtschaftlich sinnvoll ist.
Die Mitarbeiter*innen der Unternehmen sind, so Friedman, demnach nicht hinreichend fachkundig, um weitreichendere Probleme außerhalb ihres Unternehmens und damit außerhalb ihres Kompetenzbereiches zu lösen.[11]Ebd. Die Argumentation funktioniert auf den ersten Blick nur halb, wenn es um Klimafragen geht. Denn man erwartet doch, dass das Unternehmen durch das interne Wissen am ehesten über die Informationen verfügt, die Aufschluss darüber geben, wo die eigene Klimabilanz verbesserungsfähig ist. Damit tangieren Umweltfragen zumindest den Kompetenzbereich des Unternehmens. Um das konkret zu machen: Das Unternehmen kann am leichtesten feststellen, welche verarbeiteten Produktionsteile die schlechteste CO2-Bilanz haben oder am Energieineffizientesten sind – und daran etwas ändern. Darüber hinaus: Die Erkenntnis, dass CO2-Einsparung umweltförderlich ist, ist offenkundig. Man muss das Argument weiterdenken, um es zu verstehen.
Die Angestellten und Inhaber*innen des Unternehmens sind auf Wirtschaftsthemen spezialisiert, nicht auf die Umsetzung gesellschaftlicher Ziele. Friedman macht klar: Das ist Aufgabe der Politiker*innen. Sie werden gewählt, um diese sozialen oder nachhaltigen Interessen umzusetzen, sie sind von der Bevölkerung beauftragt. Einem Manager fehlt diese gesellschaftliche Legitimation.[12]Ebd. Ein Beispiel, auf das Friedman in Ansätzen verweist, veranschaulicht den Konflikt: Angenommen, ein Unternehmen erhöht, um klimaneutral zu sein, alle Produktpreise um 3%. Dann erlegt es jedem Kunden eine Steuer für dieses selbstgewählte Ziel auf. Zugegeben, man kann aufhören Produkte dieses Unternehmens zu kaufen, die Marktwirtschaft bietet gewöhnlich Alternativen. Dennoch bleibt Friedmans Argument stark: Steuern zu erheben ist Aufgabe der Politik, ebenso wie die Einsetzung dieser Gelder für demokratisch legitimierte gesellschaftliche Ziele. Andernfalls besteht die große Gefahr die Demokratie und ihre Institutionen zu umgehen.[13]Ebd. Eine kleine Gruppe an Menschen könnte über das Unternehmen die Politik und die Geschwindigkeit der Gesellschaft umgehen und beispielsweise versuchen eigene für besonders wichtig empfundene Klimainteressen durchzusetzen – über unternehmensinterne Entscheidungen oder (und an dieser Stelle gehe ich das Argument weiter als Friedman) über Proteste.
Ohne an dieser Stelle ein letztgültiges moralisches Urteil fällen zu wollen, die Macht der Generation Greta wird hier sehr deutlich. Genauso wie die Gefahr der öffentlichen Aufforderung Unternehmen nachhaltig zu führen.
Weitergedacht: Konsequenzen unternehmerischen Engagements für Umwelt und Soziales
Bevor der Gedankengang schließt: Besonders interessant ist es nachhaltige Themen stark mit sozialen Fragen zu verknüpfen. Angenommen, ein Unternehmen kauft Grünflächen in der Stadt und stellt Mitarbeiter*innen ein paar Stunden die Woche frei, um dort eigenen Projekten nachzugehen. Ich lasse offen, ob dieses Engagement aus altruistischen Motiven oder Gründen der Außenwirkung resultiert. Worin dann die Zeit und die finanziellen Ressourcen des Unternehmens investieren? Ein Biobauernhof mit viel Auslauf für Rinder? Hier gäbe es Einwände seitens der veganen Lobby vor Ort. Eine Wiese mit ein paar Bäumen für die CO2-Bilanz? Das wäre nachhaltig. Was aber, wenn die Mehrheit der Stadt in den sozialen Wohnungsbau investieren möchte und Klimaprojekte als nachrangig ansieht? Kann das Unternehmen wissen, was gerade wichtiger für die Gesellschaft ist? Um mit Friedman zu antworten: nein. Und es ist auch nicht die Aufgabe des Unternehmens das zu wissen oder umzusetzen, die der Politik hingegen schon. Demokratische Institutionen haben am ehesten die Kompetenz und Legitimation solche Angelegenheiten zu entscheiden.[14]Ebd.
Zitat im Titel: Milton Friedman
Literatur
- Friedman, Milton. “The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits.” In The New York Times Magazine (1970, 13. September).
- Jones, M. Thomas. “Corporate Social Responsibility Revisited, Redefined.” In California Management Review 22, Nr. 3 (1980): 59-67.
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Nachhaltigkeit und CSR. o. D. Online: https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Was-ist-CSR/Grundlagen/Nachhaltigkeit-und-CSR/nachhaltigkeit-und-csr.html (zuletzt aufgerufen am 07.10.20)
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